Pflanzenbetonte Ernährung – Nährstoffbedarf decken
Überarbeitete Version vom 31.05.2023
In meinem ersten Artikel der Themenreihe „Pflanzenbetonte Ernährung“ soll es darum gehen, wie du deinen Nährstoffbedarf optimal decken kannst, wenn du dich überwiegend pflanzlich ernährst. Ich gehe auf verschiedene Begrifflichkeiten ein und erkläre, welche Rolle die Auswahl der Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel in einer pflanzenbetonten Ernährung spielen.
Disclaimer: Ich bin zertifizierte Ernährungsberaterin, keine Ernährungswissenschaftlerin oder -therapeutin. Daher beziehe ich mich in meinen Aussagen in erster Linie auf Sekundärliteratur. Entsprechende Quellen zu weiterführenden Informationen von Expert/innen und Fachgesellschaften verlinke ich im Text.
Meine Artikel richten sich an gesunde Menschen. Wende dich bei gesundheitlichen Beschwerden bitte an eine/n ernährungserfahrene/n Ärzt/in oder Ernährungstherapeut/in.
Pflanzenbetonte Ernährung
Immer mehr Menschen treffen bewusst die Entscheidung, tierische Lebensmittel in ihrer Ernährung zu reduzieren und ihre Mahlzeiten hauptsächlich aus pflanzlichen Lebensmitteln zusammenzustellen. Das ist im Angesicht des Klimawandels und der wachsenden Weltbevölkerung sowie aus gesundheitlichen und ethischen Gründen meiner Ansicht nach sehr begrüßenswert!
Was vielen allerdings nicht bewusst ist: Nicht nur als Veganer sollte man auf eine gute Zusammenstellung und gegebenenfalls Ergänzung der Ernährung achten, um optimal mit Nährstoffen versorgt zu sein. Das gilt für jede Form der Ernährung und besonders jene, die bestimmte Lebensmittel stark reduzieren oder ausschließen.
Wer kein Fan von langen Texten ist, findet im Folgenden direkt die Zusammenfassung, welche Nährstoffe ich als Ernährungsberaterin bei einer überwiegend pflanzlichen Ernährung supplementieren würde. Weshalb ich diese empfehle, erläutere ich ausführlich in diesem Artikel. Wie Nahrungsergänzung im Alltag konkret funktioniert, erfahrt ihr in einem weiteren Artikel.
Meine Empfehlung zur Supplementierung für gesunde Erwachsene bei gut zusammengestellter pflanzenbetonter Ernährung:
Vitamin D3: 800 – 2.000 IE (= 20 – 50 µg) am Tag
mindestens von Oktober bis März, gerne auch ganzjährig
idealerweise mit Vitamin K2 kombiniertVitamin B12: 10 – 100 µg am Tag
Jod: 75 – 150 µg am Tag
zzgl. zu Jodsalzkonsum von 5-6 g am TagSelen: 25 – 60 µg am Tag
EPA und DHA: 125 – 250 g am Tag z.B. in Form von Algenöl
zzgl. zu etwa 2 g ALA z.B. in Form von 1-2 TL Leinöl oder 1-2 EL geschroteten Leinsamen
Mein Problem mit den Schubladen
Zunächst mal mein Standpunkt zum Thema Schubladendenken – wenn dich nur das Nährstoff-Thema interessiert, überspringe diesen Abschnitt einfach!
Ich habe vor etwa fünf Jahren begonnen, meinen Konsum an tierischen Lebensmitteln zu reduzieren, esse seitdem größtenteils vegetarisch oder vegan – aber eben nicht ausschließlich. Also könnte man mich als „Flexitarierin“ bezeichnen. Weshalb ich mich mit diesem Begriff nicht so gut anfreunden kann, möchte ich im Folgenden kurz klären.
Zunächst hört sich die Bezeichnung Flexitarier für mich so an, als würde man einfach essen, auf was man gerade Lust hat. Dabei ist es für viele Flexitarier eine bewusste Entscheidung, weniger tierische Produkte zu konsumieren. Was „weniger“ letztendlich bedeutet, ist natürlich sehr individuell. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich persönlich versuche, meine Ernährung etwa zu 80 bis 90% aus pflanzlichen Lebensmitteln zusammen zu stellen.
Bezeichnungen wie Reduktarier finde ich auch etwas irreführend. Zum einen sagt es nicht aus, was man reduziert. Zum anderen sollte der Fokus dieser Ernährungsform meiner Ansicht nach weniger auf der Reduktion sondern viel mehr auf der Integration pflanzlicher Lebensmittel liegen.
Besser gefällt mir persönlich daher der Begriff pflanzenbetonte Ernährung. Derr Begriff „pflanzenbasiert“ würde für Unklarheiten sorgen, da „plant-based“ im Englischen üblicherweise eine rein pflanzliche Ernährung meint.
Man merkt schon: Ich bin kein Fan von Schubladen. Denn ich denke, dass viele Menschen, die sich ändern möchten (und das betrifft alle Aspekte des Lebens, nicht nur die Ernährung) ähnliche Schwierigkeiten haben: Leider stößt man einige Menschen vor den Kopf, wenn man sich nicht in eine Schublade stecken lassen möchte. „Bist du jetzt Vegetarier oder Pescetarier oder Veganer? Aber du isst doch manchmal auch Fleisch! Gestern hast du Milchprodukte gegessen und heute nicht!“
Diese Verwirrung kann ich einerseits nachvollziehen – immerhin machen Schubladen das Leben in vielerlei Hinsicht einfacher. Wenn ich weiß, dass jemand Vegetarier ist, kann ich mich darauf einstellen und eine fleischlose Alternative anbieten. Oder meinen Gast darum bitten, etwas Entsprechendes mitzubringen.
Das Problem mit den Schubladen ist allerdings, dass es Menschen dadurch schwergemacht wird, sich selbst bzw. die eigenen Einstellungen und Verhaltensweisen in kleinen Schritten zu ändern. Selbst wenn diese Veränderung angebracht wäre.
Wir sollten in unserer Gesellschaft meiner Meinung nach mehr Raum für Veränderung schaffen, mehr Raum für Zwischenstufen, für Testphasen, für den Weg von A nach B. Man sollte die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, ob man heute ein veganes Gericht wählt – aus welchem Grund auch immer. Man sollte sich nicht rechtfertigen müssen, wenn man die Gemüselasagne anstatt die mit Hackfleisch oder den Wrap heute mit Hummus anstatt Joghurtdressig wählt. Diese Entscheidungen sollten ohne das Urteil anderer getroffen werden können. Denn nur in diesem urteilsfreien Raum ist Veränderung für viele Menschen überhaupt erst möglich.
Und so greifen viele mittags zum Schnitzel anstatt zur Gemüsepfanne, um in die gewohnte Schublade zu passen und sich keine verwunderten oder gar beleidigenden Kommentare von Kollegen, Freunden oder Familie anhören zu müssen. Das finde ich sehr schade.
Aber genug zu meiner persönlichen Meinung zum Thema pflanzenbetonte Ernährung und Schubladendenken. Es gibt einige gesundheitliche Aspekte, auf die Menschen achten sollten, die nur selten zu tierischen Lebensmitteln greifen. Und auf diese gehe ich im Folgenden ein.
Kritische Nährstoffe in der pflanzenbetonten Ernährung
Es gibt tatsächlich einige Nährstoffe (v.a. Mikronährstoffe), die fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommen (was nicht heißt, dass sie tierischen Ursprungs sind) oder in manchen tierischen Lebensmitteln in größerer Menge oder mit einer höheren Bioverfügbarkeit vorkommen als in pflanzlichen, also vom menschlichen Körper etwas besser aufgenommen werden können. Hinzu kommt, dass das Futter für Nutztiere in der Regel mit Mikronährstoffen angereichert wird, die auf diesem Wege auch in den tierischen Lebensmitteln landen – gemeinsam mit weniger wünschenswerten Stoffen.
Aus diesen Gründen kann es passieren, dass Menschen, die sich pflanzenbetont oder rein pflanzlich ernähren, mit der Zeit einen Mangel an bestimmten Nährstoffen entwickeln können, wenn sie nicht gezielt auf den Konsum bestimmter Lebensmittel achten und keine Supplemente einnehmen. Ich erkläre im Folgenden, welche kritischen Stoffe das sind.
Generell ist zu noch erwähnen: Der Bedarf und die Aufnahmefähigkeit von Nährstoffen ist von Mensch zu Mensch verschieden und kann durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden (Genetik, Krankheiten, Medikamente inkl. Antibabypille, Alter, Schwangerschaft, Leistungssport, Konsum von Alkohol, Nikotin usw.). Ich gehe hier nicht auf diese Besonderheiten ein und beziehe mich nur auf gesunde, erwachsene, nicht-schwangere Menschen.
Ganz wichtig auch noch vorab: Ich meine mit einer pflanzenbetonten Ernährung eine möglichst vollwertige, ausgewogene Ernährung, die viel Gemüse, Obst, (Vollkorn-)getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Öle und ggf. einen kleinen Anteil tierischer Lebensmittel und Genussmittel beinhaltet. Das ist schon mal die Grundlage für eine bedarfsgerechte pflanzenbasierte Ernährung, alles Weitere folgt in diesem und dem nächsten Artikel.
Wie es um die eigene Vitamin- und Mineralstoffversorgung steht, kann man durch einen Bluttest (teils auch Urin-Test), beim Arzt überprüfen lassen. Wenn man diese Möglichkeit und das nötige Kleingeld hat 😉 sollte man sie gerne wahrnehmen. Leider muss man die Kosten dafür in der Regel selbst tragen und sie werden auch nicht standardmäßig innerhalb des kleinen oder großen Blutbilds überprüft. Hinzu kommt, dass leider die wenigsten Ärzte wirklich Fachwissen im Bereich Ernährung und Nährstoffkunde haben und auch nicht alle mit entsprechenden Laboren zusammenarbeiten.
Und es gibt auch einige Mikronährstoffe, bei denen der Bluttest nicht einmal sonderlich aussagekräftig ist und es schlichtweg noch keine besseren, wissenschaftlich fundierten Testmethoden gibt (z.B. bei einigen Mineralstoffen).
In diesem Artikel nenne ich daher ein paar Tipps, an denen sich gesunde Menschen, die selten tierische Lebensmittel essen, auch ohne Test orientieren können – bestenfalls natürlich in Absprache mit dem Hausarzt.
Was meine Empfehlungen betrifft, muss man sich übrigens keine Gedanken über eine Überversorgung machen, da selbst wenn man alle genannten Nährstoffe in den genannten höchsten Dosen supplementiert und selbst wenn man innerhalb einer ausgewogenen Ernährung noch weitere Quellen dieser Nährstoffe hätte, das Upper Level (also die höchstempfohlene Menge bei regelmäßiger Einnahme) nicht erreicht wird. Das heißt allerdings nicht, dass man Nährstoffe mit Supplements nicht überdosieren kann! Es gibt viele Nahrungsergänzungsmittel, die viel zu hoch oder zu niedrig dosiert sind oder im Fall von Multinährstoffen nicht sinnvoll zusammengestellt sind.
Was die Zufuhrempfehlung von Nährstoffen betrifft, kann man sich grundsätzlich an den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren. Da die Richtwerte je nach Alter, Geschlecht und Lebenslage unterschiedlich sind und sich die Empfehlungen hin und wieder ändern, rate ich, die aktuellen Angaben auf deren Webseite zu beachten.
Vitamin D
Vitamin D sollte in den gemäßigten Breiten jeder ab Oktober bis einschließlich März supplementieren, egal ob Mischköstler, Vegetarier, Veganer oder Flexitarier – gegebenenfalls sogar über die Wintermonate hinaus, falls man sich selten draußen aufhält. Sonnencreme ab LSF 8 und Fensterscheiben blockieren übrigens die nötigen UV-B Strahlen zum Großteil. Und was auch nicht jedem bekannt ist: Je dunkler die Haut, also je stärker die Pigmentierung, desto länger dauert es, die nötige Vitamin-D-Menge zu bilden.
Eine Zufuhr von Vitamin D allein über die Nahrung ist unzureichend bzw. so gering, dass sie zu vernachlässigen ist. Fun Fact am Rande: Man müsste ca. einen Kilo Hering am Tag essen, um seinen Vitamin-D Bedarf allein über die Nahrung zu decken 😀
Der Einstrahlungswinkel und damit die Intensität der UV-B-Strahlen reicht in unseren Breiten innerhalb der Wintermonate leider nicht aus, um Vitamin D über die endogene Synthese zu bilden, das heißt innerhalb der Haut mit Hilfe von UV-B-Strahlen selbst herzustellen. Es ist natürlich gut, sich auch im Winter draußen in der Sonne aufzuhalten und durchaus auch sinnvoll für den Schlaf-Wach-Rythmus. Vitamin D wird dabei aber nicht oder nur in einem sehr geringen Umfang gebildet.
Die Speicher in Leber und Muskeln, die im Idealfall im Sommer gefüllt wurden, reichen in der Regel nicht für die Bedarfsdeckung über die Wintermonate aus. Da die meisten von uns aber auch im Sommer hauptsächlich im Büro sitzen, kann sich ein Mangel über den Winter hinweg auch auf das ganze Jahr ausweiten. Je nach Quelle sind ca. 60-80% der Deutschen nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt.
Eine Überdosierung ist mit verkaufsüblichen Präparaten in den empfohlenen Mengen nicht möglich – die Haut kann an einem sonnigen Sommertag ein Vielfaches dieser Mengen bilden und aufnehmen. Eine Überdosierung durch die Sonneneinstrahlung ist glücklicherweise ebenfalls nicht möglich dank eines körpereigenen Schutzmechanismus – wäre ja auch wenig sinnvoll 😉 (Die Vorstufe des Vitamin D in der Haut ist photolabil, sodass diese mit der Zeit zerfällt. Kurz gesagt hört der Körper ab einem gewissen Zeitpunkt auf, Vitamin-D selbst herzustellen. Sich stundenlang ungeschützt in der Sonne aufzuhalten ist also nicht nötig und auch nicht empfehlenswert).
Ein Mangel jedoch bringt verschiedenste kurzfristige und langfristige Probleme mit sich, z.B. eine verminderte Calcium-Aufnahme in die Knochen und dadurch ein erhöhtes Risiko für Osteoporose, eine erhöhte Infektanfälligkeit (siehe erhöhte Anzahl der Erkältungen und Grippefälle im Winter), vermehrte Müdigkeit, Antriebslosigkeit bis hin zu Depressionen und vieles mehr.
Bestenfalls lässt man zunächst den Vitamin-D-Blutwert (25-OH-D) beim Arzt testen. Aber auch unabhängig davon rate ich in jedem Fall zu einer Supplementierung in den Wintermonaten mit Vitamin D3. Diese kann je nach Dosierung des Präparats täglich oder einmal die Woche erfolgen. (Die meisten Präparate enthalten D3, wohingegen D2 eher selten zu finden ist. Je nach Studie ist die Wirksamkeit von D3 etwas besser als die von D2, gerade bei höheren Dosen, beides funktioniert aber.) Achte darauf, ein Präparat aus pflanzlicher Quelle zu wählen, z.B. aus Flechten. Ich empfehle Kombi-Präparate mit Vitamin K2, welches die Vitamin-D-Aufnahme fördert.
Ich rate zu einer täglichen Vitamin-D-Supplementierung mit mindestens 100 % der Referenzwerte der DGE. Diese sind sehr niedrig angesetzt, viele Experten raten zu höheren Dosen. Folgende Tabelle zeigt die aktuellen D-A-CH-Referenzwerte (siehe DGE) sowie die alternativen, höheren Werte.
Meine Empfehlung für gesunde Erwachsene mit pflanzenbetonter Ernährung:
800 – 2.000 IE (= 20 – 50 µg) Vitamin D3 am Tag
mindestens von Oktober bis März, gerne auch ganzjährig
idealerweise mit Vitamin K2 kombiniert
Vitamin B12
Auch wenn das Vitamin B12 nicht tierischer, sondern bakterieller Herkunft ist, kommt es heutzutage tatsächlich fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor (bis auf einige Algenarten und fermentierte Lebensmittel mit bestimmten Bakterienkulturen).
Viele Menschen gehen davon aus, es sei natürlich, B12 über Fleisch, Milchprodukte und Eier zu sich zu nehmen, dies trifft allerdings nicht zu: Da auch Nutztiere keines oder zu wenig auf natürliche Art und Weise aufnehmen bzw. nur in eigeschränktem Umfang bilden können (Bakterien im Pansen von Wiederkäuern bilden B12), wird es dem Tierfutter beigemischt. Somit nehmen wir in beiden Fällen B12-Supplemente zu uns – über den Umweg des Tieres oder eben direkt in Form von Tabletten oder Tropfen.
Am besten ist es, zunächst seinen B12-Blutwert (Holo-Transcobalamin) testen zu lassen. Aber auch ohne Test würde ich jedem raten, B12 zu supplementieren, der nicht regelmäßig tierische Produkte isst.
Ein Mangel ist vor allem langfristig wirklich problematisch. Die Mangelerscheinungen reichen von Müdigkeit und Depressionen bis hin zu Blutarmut und neurologischen Beschwerden. Selbst Mischköstler haben häufig einen B12-Mangel, da z.B. einigen Menschen genetisch bedingt ein bestimmtes Transporterprotein fehlt (Intrinsic Factor), das zur Aufnahme des Vitamins im Darm notwendig ist. Den eigenen B12 Status prüfen zu lassen, macht also für jeden Sinn.
Im Normalfall rate ich auch hier zu einer täglichen Supplementierung mit mindestens 100 % der Referenzwerte der DGE (auch diese sind sehr niedrig angesetzt). Das sind aktuell 4 µg/Tag für Jugendliche und Erwachsene. Bei dieser niedrigen Dosis ist es ratsam, zwei mal täglich zu supplementieren, da die aktive Aufnahme von B12 zeitlich begrenzt ist.
Wer nur ein Supplement am Tag einnehmen möchte, sollte eine höhere Dosis wählen (10 – 100 µg/Tag), um die zusätzliche passive Aufnahme über Schleimhäute zu ermöglichen. Vor einer Überdosierung muss man bei einer Supplementierung in diesem Rahmen keine Angst haben.
Dennoch ist es ratsam, alle ein bis zwei Jahre zur Sicherheit den B12-Wert im Blut messen zu lassen. Einige neue Studien legen nämlich nahe, dass ein zu hoher B12-Spiegel im Blut gesundheitlich abträglich sein kann. Das gilt insbesondere für Raucher. Detailliertere Infos zu B12 findet ihr sowohl im Buch „Vegan Klischee Ade“ von Niko Rittenau als auch in seiner Video-Reihe auf YouTube.
Meine Empfehlung für gesunde Erwachsene mit pflanzenbetonter Ernährung:
10 – 100 µg Vitamin B12 am Tag
Jod & Selen
Unsere Böden in Deutschland (sowie in vielen Teilen Europas) sind leider größtenteils arm an den beiden Spurenelementen Jod und Selen. In der Nutztierhaltung hat man daher gegengesteuert: Jod und Selen werden wie auch B12 dem Tierfutter beigemischt.
Über den empfohlenen Konsum von jodiertem Speisesalz wird durchschnittlich etwa 50% des Jod-Bedarfs gedeckt (ich rate unbedingt zum Einsatz von Jodsalz!). Die restlichen 50% konsumieren Mischköstler – zumindest in der Theorie – über tierische Produkte. Auch Selen wird hauptsächlich über tierische Lebensmittel zugeführt.
Das ist natürlich ärgerlich für Menschen mit pflanzenbetonter oder veganer Ernährung, die sich andere Quellen der beiden Spurenelemente suchen müssen. Jod ist z.B. in manchen Algen enthalten, Selen z.B. in Paranüssen – allerdings sind beide Stoffe je nach Art und Anbauort in sehr unterschiedlichen Mengen enthalten. So ist es nahezu unmöglich, zu wissen, ob man mit dem Konsum dieser Lebensmittel nun zu viel oder zu wenig Jod oder Selen zu sich nimmt. Gerade bei Spurenelementen ist nicht nur ein Mangel kritisch, es kann auch schnell zu einer Überdosierung kommen, da die therapeutische Breite, also der Bereich zwischen Über- und Unterdosierung, gering ist.
Und das kann tatsächlich gefährlich werden: Manche Algenarten enthalten beispielsweise so viel Jod, dass man bereits beim Konsum kleiner Mengen ein tausendfaches des Jodbedarfs zu sich nimmt. Eine Überdosierung kann gesundheitsschädlich sein und unter Umständen Schilddrüsenerkrankungen auslösen. Auch bei Paranüssen kann entweder zu wenig, aber auch viel zu viel Selen enthalten sein, sodass man mit einer Paranuss am Tag entweder nicht annähernd den Tagesbedarf deckt oder diesen um ein vielfaches überschreitet.
Ich rate bei diesen beiden Spurenelementen daher zu einer angemessenen Supplementierung anstatt der Bedarfsdeckung durch die genannten Lebensmittel.
Die klassischen Nori-Algen (z.B. im Sushi) enthalten übrigens nicht so hohe Mengen an Jod und können daher problemlos in Maßen gegessen werden. Bei anderen Algenarten bin ich persönlich vorsichtiger.
Wie Jod-Supplemente dosiert werden sollten, hängt davon ab, wie viel Jodsalz, Meeresalgen oder tierische Produkte man konsumiert. Isst man mehr oder weniger die empfohlene Menge an Jodsalz und nur selten weitere jodhaltigen Nahrungsmittel, würde ich eine Jod-Supplementierung von ca. 50% der Referenzwerte der DGE empfehlen. Eine gute Jodversorgung ist nicht nur für die Schilddrüse wichtig, sondern hat unter anderem auch Einfluss auf die kognitive Entwicklung, gerade bei Kindern.
Bei Selen empfehle ich ebenfalls eine Supplementierung mit ca, 50 % der Referenzwerte der DGE – außer man isst regelmäßig Paranüsse, was aber wie gesagt keine verlässliche Quelle ist. Selen ist ebenfalls essentiell für die Schilddrüse und aktuelle Forschungen legen nahe, dass es einen großen Einfluss auf unser seelisches und körperliches Wohlbefinden hat.
Auch der Jod- und Selen-Wert lässt sich durch eine Blutprobe oder Urinprobe ermitteln, doch diese Tests können sehr teuer werden. Man kann auch erst einmal seine Schilddrüsenwerte checken lassen und erst bei auffälligen Werten gegebenenfalls nachträglich Jod und Selen prüfen.
Meine Empfehlung für gesunde Erwachsene mit pflanzenbetonter Ernährung:
75 – 150 µg Jod am Tag zzgl. zu Jodsalzkonsum von 5-6 g am Tag sowie
25 – 60 µg Selen am Tag
DHA & EPA
Die beiden langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kommen in Algen und über die Nahrungskette auch in Meerestieren, wie Fischen, vor. Diese Fettsäuren sind u.a. für unser Gehirn und Nerven essentiell. Wir können EPA und DHA aus kurzkettigen Omega-3-Fettsäuren (reichlich in pflanzlichen Ölen wie Lein- oder Walnussöl enthalten) zwar selbst herstellen, allerdings ist die Umwandlungsrate nur gering und reicht unter Umständen nicht zur Bedarfsdeckung aus.
Wieviel EPA und DHA wir tatsächlich über die Nahrung zu uns führen sollten, ist noch nicht eindeutig geklärt. Hierzu gibt es keine konkreten Referenzwerte der DGE, aber eine Empfehlung für 250mg EPA und DHA am Tag in der Leitlinie des Fettverzehrs.
Wenn man auf Nummer Sicher gehen möchte, kann man täglich ein Algensupplement mit EPA und DHA einnehmen. In jedem Fall aber würde ich gezielt auf den täglichen Konsum von Leinöl oder einer relevanten Menge Leinsamen achten (siehe Artikel über Leinsamen). Mehr Infos zur Omega-3-Dosierung findest du z.B. in diesem Video.
Meine Empfehlung für gesunde Erwachsene mit pflanzenbetonter Ernährung:
2 g ALA am Tag, z.B. in Form von 1-2 TL Leinöl oder 1-2 EL geschroteten Leinsamen sowie
optimal zusätzlich 125 – 250 g EPA und DHA am Tag z.B. in Form von Algenöl
Bonus Tipps für die optimale Nährstoffzufuhr
Das waren die aus meiner Sicht kritischsten Nährstoffe bei einer pflanzenbetonten Ernährung. Alle anderen Nährstoffe (Makro- und Mikronährstoffe) können in einer gut zusammengestellten pflanzenbetonten oder rein pflanzlichen Ernährung grundsätzlich gut abgedeckt werden. Wenn man allerdings eine optimale Versorgung aller Nährstoffe anstrebt oder auch gerne mal jenseits der Empfehlungen isst ( so wie ich 😉 ), kann es durchaus sinnvoll sein, weitere Nährstoffe zu ergänzen – zum Beispiel in Form eines gut zusammengestellten und sinnvoll dosierten veganen Multinährstoffs. Bitte beachten: Die wenigsten Multinährstoffe entsprechen leider diesen Kriterien. Eine Übersicht sinnvoller Präparate findet ihr z.B. in diesem kostenlosen E-Book auf Seite 22 und 23.
Man sieht schon: Eine pflanzenbetonte oder rein pflanzliche Ernährung setzt schon ein gewisses Grundlagenwissen über Nährstoffe und deren Vorkommen in Lebensmitteln voraus. Sie muss gut geplant und zusammengestellt sein, um bedarfsdeckend zu sein – das ist wohl auch der Grund für die bisher zurückhaltende Position der DGE zur veganen Ernährung. Lasst euch aber nicht abschrecken: Die Zusammenfassung dieses Positionspapiers der DGE kann missverständlich sein, wie in diesem Video erläutert wird.
Es gibt tatsächlich zudem noch einen recht unbekannten Nährstoff, der eventuell kritisch in einer pflanzenbetonten Ernährung sein kann, vor allem wenn man keine oder nur selten Eier isst: Das Cholin (auch als Vitamin B4 bekannt). Es gibt leider noch keine offizielle Zufuhrempfehlung der DGE. Um auf Nummer sicher zu gehen, kann man es supplementieren (z.B. auch innerhalb eines Mulitnährstoffs) oder alternativ Lecithin in die Ernährung integrieren.
Insbesondere Frauen sollten auf Grund des Blutverlusts während der Menstruation zudem auf ihren Eisen-Status achten und gegebenenfalls supplementieren.
Was Calcium angeht, sollte man angereicherte Produkte wie Pflanzenmilch mit Calcium bevorzugen. Eine Supplementierung macht Sinn, wenn kein Fokus auf calciumreiche Lebensmittel gelegt wird. Beides wäre dann vor allem für Frauen nach den Wechseljahren sehr wichtig auf Grund der hormonellen Umstellung und damit Disposition für Osteoporose.
Eine zusätzliche Ergänzung von Zink kann ebenfalls nicht schaden, wenn kein besonderer Fokus auf zinkreiche Lebensmittel gelegt wird.
Nun zu den guten Nachrichten: Ist eine pflanzenbetonte Ernährung gut zusammengestellt und entsprechend ergänzt, kann sie extrem gesund sein und vor vielen chronisch-degenerativen Erkrankungen schützen – einige von ihnen sogar reversieren! (Mal ganz abgesehen von den Vorteilen für die Umwelt und die Tiere)
Pflanzliche Lebensmittel enthalten nämlich einige gesundheitsförderliche Stoffe, die sich in tierischen Lebensmitteln nicht finden lassen: Beispielsweise Ballaststoffe, deren Bedeutung aus meiner Sicht extrem unterschätzt wird. Diese sorgen nicht nur für einen regelmäßigen Stuhlgang sondern sind die Nahrung für unsere Darmbakterien. Ein gesundes Mikrobiom ist essentiell für unsere Gesundheit und eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht der Darmflora, kann für viele Krankheiten mitverantwortlich sein (super spannende, neuste wissenschaftliche Erkenntnisse dazu findet ihr z.B. im Buch „Fiber Fueled“ von Dr. Bulsiewicz).
Außerdem finden sich in Pflanzen sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die zum Beispiel antioxidative, krebshemmende, blutdruck- und blutzuckerregulierende und viele weitere positive Eigenschaften haben. Die präventiven Effekte sind nicht zu unterschätzen, wenn man bedenkt, wie regelmäßig wir Nahrung zu uns nehmen. Denn ob man es wahrhaben möchte oder nicht: Der Großteil unserer heutigen „Zivilisationskrankheiten“ und „Altersleiden“, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viele Krebsarten, Demenz, Diabetes, Adipositas, chronisch-entzündliche Erkrankungen und viele mehr sind ernährungs(mit)bedingt!
Einige Nährstoffe kommen in pflanzlichen Lebensmitteln in wesentlich größeren Mengen als in tierischen Lebensmitteln vor, beispielsweise Vitamin C oder auch Folsäure. Hinzu kommt, dass wir einige Nährstoffe, die in pflanzlicher Form vorliegen, besser regulieren können als in tierischer Form, wie Vitamin A (bzw. Carotinoide mit Pro-Vitamin-A Wirkung) und Eisen. Bei Vitaminen und Mineralstoffen, insbesondere bei den Spurenelementen gilt nämlich: Zu viel ist mindestens so problematisch wie zu wenig! Die Dosis macht bekanntlich das Gift.
Wenn wir weniger tierische Lebensmittel konsumieren, nehmen wir übrigens auch weniger Schadstoffe zu uns, die sich im tierischen Muskel- und Fettgewebe besonders akkumulieren können, wie Schwermetalle, PCBs oder Antibiotika. Und auch wenn die Low-Carb-Community es immer wieder bestreitet, zeigen auch aktuellere Studien, dass sich zu viele gesättigte Fettsäuren und Cholesterin (die hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vorkommen) negativ auf unsere Gesundheit auswirken können und rotes Fleisch sowie Wurstwaren potentiell kanzerogen wirken können. Auch ein erhöhter Konsum tierischer Proteine scheint sich negativ auf unsere Gesundheit auszuwirken. Dabei kommt es natürlich aber wie bei allem auch auf die Dosis an. Es ist also absolut keine Panik angebracht, wenn man nur wenig davon zu sich nimmt.
Für weitere Infos zur Studienlage, schau dir gerne mal folgende Bücher an: „Ernährungskompass“ von Bas Kast und „How not to die“ von Dr. Greger.
Mit den folgenden Tipps und Tricks kannst du dafür sorgen, dass deine Ernährung auf pflanzlicher Basis noch nährstoffreicher ist:
1. Auf Eiweißlieferanten achten
Achte auf den täglichen Konsum verschiedener eiweißhaltiger Lebensmittel, um eine hohe biologische Wertigkeit der Eiweiße sicher zu stellen. Hülsenfrüchte und Vollkorngetreide sind eine tolle Kombination und sollten möglichst täglich auf dem Speiseplan stehen (die begrenzenden Aminosäuren Lysin und Methionin ergänzen sich gegenseitig). Alternativ kann man auf Pseudogetreide (Hirse, Quinoa, Amaranth, Buchweizen) oder Soja bzw. Tofu setzen, die bereits ohne Kombination eine großartige biologische Wertigkeit besitzen. Auch Nüsse und Samen sind wertvolle Eiweißlieferanten. Du musst übrigens nicht zu jeder Mahlzeit mehrere eiweißreiche Lebensmittel essen, da sich die Aminosäuren problemlos im Laufe des Tages ergänzen.
2. Aufnahmefördernde Stoffe integrieren
Füge deinen Gerichten Vitamin-C-haltige, säurehaltige und fetthaltige Lebensmittel hinzu, um die Aufnahme von Eisen, Calcium und Zink bzw. fettlöslicher Vitamine wie A, D, E und K zu fördern. Verzichte während dem Essen weitestgehend auf koffein- und alkoholhaltige Getränke, die die Aufnahme einiger Mikronährstoffe etwas mindern können.
3. Vollwertige Lebensmittel bevorzugen
Integriere so viele vollwertige Lebensmittel wie möglich (also „vollständige“ Lebensmittel mitsamt Schale in allen denkbaren Formen – Zerkleinern und Erhitzen ist selbstverständlich erlaubt). Diese besitzen noch alle ursprünglichen Bestandteile des Nahrungsmittels, wie die nährstoffdichten Randschichten, wertvolle Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe. Das heißt aber natürlich nicht, dass man immer vollwertig essen muss.
4. Den „Regenbogen“ essen
Iss so frisch, regional und farbenfroh wie möglich – somit deckst du ohne Probleme ein breites Spektrum an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Bei langem Transport bzw. langer Lagerung reduziert sich der Gehalt einiger Vitamine. Und wusstest du, dass du an der Farbintensität von Obst und Gemüse erkennen kannst, wie hoch deren Gehalt an wertvollen sekundären Pflanzenstoffen ist? Je dunkler und kräftiger die Farbe des Fruchtfleisches, desto besser! Und wie sagt man so schön: Eat the Rainbow!
5. „Superfoods“ integrieren
Es gibt einige Lebensmittel bzw. Lebensmittelgruppen, die besonders nährstoffreich sind. Und diese „Superfoods“ müssen nicht exotisch sein, die einheimischen sind mindestens genauso gut! Integriere so oft wie möglich Beeren, Nüsse, Samen, Blattgemüse, Kohlgemüse, Zwiebelgemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Pilze und Kräuter in deine Ernährung – diese enthalten teils große Mengen an essentiellen Vitaminen, Mineralstoffen, Fettsäuren, Aminosäuren und generell gesundheitsförderliche sekundäre Pflanzenstoffe.
An dieser Stelle muss ich einfach nochmal Dr. Greger und sein Konzept der „Daily Dozen“ nennen sowie die „Fünf am Tag“ von Niko Rittenau.
Wie eine pflanzenbetonte Ernährung nun konkret zusammengestellt werden kann, erkläre ich im nächsten Artikel der Reihe. Schau gerne mal rein!